BND lauscht auf Clinton und Kerry – wieder mal viel Lärm um Nichts

Ach nee. Wer hätte das gedacht? Der BND hat, wie der Volksmund sagt, Dreck am Stecken. Hat Hillary Clinton und John Kerry abgehört. Alles ganz ausversehen natürlich. Ist halt „in mindestens einem Fall“ mal ein Telefonat als „Beifang“ in den Datentreibnetzen des Geheimdienstes gelandet und wurde aus reiner „Idiotie“ heraus nicht sofort gelöscht. Passiert jedem mal. Aber „äußerst diskret behandelt“ habe man die Sache damals (also 2012) schon. Leider war nur zufällig ausgerechnet der kürzlich aufgeflogene mutmaßliche BND-Spion mit der Vernichtung des sensiblen Beifangs beauftragt worden. Wenn das nicht ironisch ist.

Die ewigen Fischfang- und Unterwasserbegrifflichkeiten sind übrigens treffend: Massenfischfang gilt schließlich als ökologisch und moralisch ebenso wenig vertretbar wie Massenüberwachung moralisch und rechtlich fragwürdig ist. Problem: die kleinen Fische interessieren keinen. Dafür verzichtet jetzt kein Mensch auf seinen Teller Sushi oder die Spaghetti Frutti di Mare. Oder eben auf den Datenfundus, der sich da per Treibnetz oder was auch immer abschnorcheln lässt und mit dem man dann „die Terroristen“ fangen kann. Abschnorcheln. Das ist noch so ein Begriff. Unter der Wasseroberfläche verbirgt sich ja offenbar so einiges. Stille Wasser sind halt tief. Und schmutzig. Mit Sicherheit ist Enthüllung des „zufälligen“ Fangs der Telefonate von Clinton und Kerry auch nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs.

Ja, ist gut. Genug mit den Metaphern. Aber es ist doch so: wir wissen jetzt seit 14 Monaten, dass massenhaft deutsche Bürger ausgespäht werden. Interessiert in der BuReg leider kaum ein Schwein. Aber Clinton und Kerry, au Backe! „Spionage unter Freunden“, sagte Merkel, als herauskam, dass die NSA ihr Handy abhörten. „Geht gar nicht.“ Merkel soll sich jetzt „erklären“. Fordern zumindest die Grünen und Linken. Na klar. Mega-L.O.L. Die USA lachen sich gerade kaputt und ins Fäustchen, heißt es in der SZ:

Das abgehörte Telefonat von Clinton nehmen sie als Beleg dafür, dass auch die Deutschen die USA ausspionierten.

Ja, ach! Überraschung! Ich mutmaße mal, was sicher viele andere auch denken: die Information haben die USA nicht erst seit gerade. Der Mangel an Enthusiasmus, mit dem die BuReg die Spionageaffäre nicht aufklärt, wundert in Anbetracht der Situation ja nun wirklich überhaupt nicht mehr: man kann sich nicht aufs moralisch hohe Ross schwingen, wenn man selbst unlautere Dinge tut.

Ich stelle mir das etwas so vor: Merkelchen findet heraus, dass ihr Telefon abgehört wird. Steht bei Obama auf der Matte und fordert Aufklärung. Darauf Obama (in an American accent):

Uhm, sorry, Angie darlin’ but we have sensitive information on your BND. It’s all classified, of course, but let me just say: Stones and Glasshouses. Get what I mean?

Also: Wer im Glashaus sitzt und so… da is‘ natürlich nix mit Steine werfen. Dumm gelaufen, BuReg. Einen systematischen Lauschangriff habe es aber nicht gegeben, rechtfertigt sich die BuReg. War alles ein Versehen. Ein „Versehen“, dass jetzt ebenso aufgeklärt werden muss, wie der Rest der NSA-Spionagesuppe. Fordert zumindest die Opposition. Der BND sei „zu einem Staat im Staate geworden“, sagen die Linken. Da müsse man dringend etwas machen. Auch da darf man sich mal herzlich kaputtlachen. Eingedenk dessen, was man über die NSA durch Snowden weiß, überrascht wohl niemanden, dass der BND vermutlich ebenso wenig wirksam kontrolliert werden kann, wie sein amerikanisches Äquivalent. Schön, die Vorfälle mit Clinton und Kerry wurden angeblich gemeldet und die Daten entsorgt. Aber leider konnte ja offenbar dennoch ein Spion die Information über die Abhörung von Frau Clintons Telefon an die USA weitergeben. Und da der Führungsebene des BND nun unabsichtlich abgefangene Informationen nicht mehr vorgelegt werden sollen, stellt sich auch die Frage, wer eigentlich kontrolliert, dass diese wirklich gelöscht werden. Kontrolleure, die von nix wissen: funktioniert in den USA ja bekanntlich prima. Wer wird sich denn da streiten?

Die Parallelen mit der NSA (lange vermutet, nun auf dem Tisch) werfen für Deutschland dringende Fragen darüber auf, inwiefern der BND – wie die NSA in den USA – verfassungswidrig handelt. Auch diese Fragen stellt man sich sicher nicht erst seit jetzt. Da die Bundesregierung, wie in der aktuellen Printausgabe des Spiegel erneut berichtet wird, die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses massiv behindert, muss man sich außerdem fragen, was genau der Grund für das Versagen sein kann, die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses nach allen Kräften zu unterstützen. Ist der BND am Ende nicht etwa Staat im Staate, der im Geheimen gegen Geheiß der deutschen Regierung agiert, sondern vielmehr das Instrument eines Staates, der womöglich Bürger- und Grundrechte, sowie auch Verträge mit Verbündeten verletzt und seit nunmehr einem Jahr alles daran setzt zu verhindern, dass die Welt, ganz zu schweigen die Wähler, die Opposition oder parlamentarische Kontrollgremien davon Wind bekommen?

Was die neuen Veröffentlichungen für die Ausspähung deutscher Bürger durch den BND bedeuten könnten, ist doch die eigentliche, ungestellte Frage. Der Elefant im Raum sozusagen. Statt nach den Bürgern fragt man aber lieber weiter nach den „Freunden“, deren Ausspähung „gar nicht geht“. Den großen Fischen, statt dem eigentlichen Beifang.

Bei der Aufklärung des aktuellen Sachverhaltes wäre es jedenfalls total lustig, wenn sich die USA jetzt den Herrn R. als Zeugen vor einen nagelneuen BND-Untersuchungsausschuss im amerikanischen Senat holen würden. Vor allem, weil Deutschland den Herrn Snowden jetzt erstmal gar nicht mehr holen und aussagen lassen kann. Ein Glück, dass der noch drei Jahre in Russland bleiben darf und auf uns Loser nicht mehr hoffen muss. Denn man ist ja jetzt wieder im Entschuldigungs-Modus. Man kann die USA nicht noch weiter ärgern. Die ohnehin völlig aberwitzige und mega-peinliche Forderung nach der Aufdeckung aller Agenten sollte sich damit auch erledigt haben. Wobei, vielleicht kann man da auch so einen ich-zeig-dir-meine-wenn-du-mir-deine-zeigst-Deal abschließen.

Aber jetzt mal ganz im Ernst: wenigstens das künstliche Aufregen könnte man sich sparen und endlich mal das eigentliche Problem angehen: Massenüberwachung kann augenscheinlich jeden treffen. Sogar die Frau Clinton und den Herrn Kerry. Die Datentreibnetze bringen offensichtlich mehr ärgerlichen Beifang als Nutzen. Vielleicht ist es also langsam mal Zeit, die Sache zu überdenken. Dann braucht man auch nicht mit Steinen nach Leuten zu schmeißen. Man könnte ja einfach mal Vernunft walten lassen.

Vermutung: nö. Dann müsste man ja zugeben, dass Herr Snowden und alle, die seit über einem Jahr Aufklärung und wirksame Reform fordern, Recht haben.

Geht ja gar nicht.

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